Fiktion und Realität im Recruiting.

«Wir stellen nur die Besten ein!»
Also sprach Zarathustra, der CEO der Firma X. Und um die Besten zu finden, war ihm jedes Mittel recht. Teure Werbeaktionen, grosser Aufwand zur Firmendarstellung, kostspielige Assessments, hohe Investitionen in Employer Branding.
Und die Besten kommen. Dumm nur, dass die Besten sehr schnell merken, dass alles Aufgeblähte hohl ist. Wenn Anzeigentexte nicht mit der Realität übereinstimmen, wenn Vorgesetzte unterschiedliche Meinungen zu bestimmten Themen haben, wenn es im Recruiting-Ablauf zu Verzögerungen kommt, wenn schöne Worte die negativen Aspekte des Angebotes nicht mehr übertünchen können. Es gibt viele kleine Details, die den Besten negativ auffallen können, denn sie sind intelligent und schlau.
Die Besten haben klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft. Und decken sie sich nicht mit dem, was die Firma zu bieten hat, dann gibt’s einen Bewerbungsrückzug. Die Besten sind umworben und finden schnell andere Chancen. Investitionen und viel Arbeit sind vertan. Noch schlimmer wird es, wenn ein Arbeitsvertrag erreicht wird, aber noch vor oder nach Eintritt gekündigt wird. Dann muss die ganze Suche neu gestartet werden, denn mit zweit- oder drittklassigen Kandidaten gibt man sich nicht zufrieden.

Weshalb sind wichtige Vakanzen oft lange unbesetzt?   

Bei der Abfassung eines Anforderungsprofils gehen Linienvorgesetze von fiktiven Annahmen bezüglich ihres Angebotes und der Anforderungen aus. Inhalte im Anforderungsprofil entsprechen vielfach einem Wunschdenken. Selten wird sorgfältig abgeklärt:

  • in welchen anderen Firmen sind mögliche Kandidaten tätig?
  • Welche Anstellungsbedingungen haben sie?
  • Mit welchen Mitteln können wir sie zu einer Bewerbung veranlassen?
  • Was sind unsere «USP’s» im Personalmarkt?

Die Werbung zur Gewinnung von Kandidaten fällt auf durch:

  • Protzige Firmendarstellung.
  • Auflistungen von Positionsdaten und Charaktereigenschaften wie Maschinendaten.
  • Versprechungen hinsichtlich Weiterentwicklung.
  • Kein Eingehen auf unterschwellige Wünsche und Vorstellungen möglicher Top-Kandidaten.

In Interviews wird oft dazu tendiert, Kandidaten aufs Glatteis zu führen, denn schliesslich soll das Interview eine Prüfung sein. Falsch! Ein Kandidat hat mit CV, Zeugnissen und Tests oder Assessments übers Internet schon viel von sich preisgegeben. Entsprechend basiert eine Einladung zum Interview auf einem Matching mit positivem Ausgang. Hauptthema eines Interviews muss die mögliche Eingliederung ins Unternehmen sein. Bei dieser Diskussion entstehen zusätzliche Erkenntnisse zur Eignung.
Weitere Regeln für ein Interview:

  • Kurzfristige Ansetzung
  • Gute Vorausinformation
  • Freundlicher Empfang (kein Warten!)
  • Angenehme Gesprächsatmosphäre
  • Keine vagen Versprechen
  • Offenheit verbunden mit realistischer Information
  • Klare Formulierung des weiteren Vorgehens mit festen Daten

Top-Kandidaten sehen hinter Fassaden und kennen die Rekrutierung.        
Jede Aussage im Rekrutierungsablauf muss wasserdicht sein. Offenheit und Ehrlichkeit sind die Basis für eine leistungsbereite Zusammenarbeit. Top-Kandidaten suchen sich Herausforderungen und wollen dafür individuelle Freiheiten der Durchführung. Wenn sie sich nicht an ihre Grenzen bewegen können, verfallen sie der Routine und suchen sich andere Aufgaben. Dann beginnt die Rekrutierung von vorne und wieder wird viel Geld verloren. Menschen rekrutieren ist teuer und ein Kostenfaktor, der in seinem ganzen Umfang nicht sichtbar ist.

Übrigens, der Name Zarathustra stammt aus dem Iran und bedeutet: Besitzer von vielen Kamelen.                                                    jb