Ein neuer Begriff: Brown-out

Nur ein neuer Anglizismus oder steckt dahinter wirklich eine neue Erkenntnis? Wir kennen den Begriff Burn-out für den Zustand einer körperlichen und psychischen Erschöpfung. Noch wenig bekannt ist der Begriff Bore-out, der den Leistungsverlust und die Gemütsverfassung eines Menschen beschreibt, der im Beruf unterfordert ist. Und schon kommt mit Brown-out ein neuer Begriff zur Diskussion. Er beschreibt den Gang in Intraversion und Abwendung von der beruflichen Leistung auf Grund des Erlebens von Sinnlosigkeit im beruflichen Alltag. Betroffene sind desillusioniert und inaktiv. Sie beginnen, berufliche Kontakte zu meiden und arbeiten nur noch das Notwendigste. Betroffen sind oft Leistungsträger, die motiviert eine Aufgabe angetreten haben, aber im Sumpf der Bürokratie den Nutzen und den Sinn ihrer Arbeit verlieren.
Hervorgerufen wird das Brown-out-Syndrom durch ausufernde Controlling-Massnahmen, die oft ein vielmehr an Zeit benötigen, als die Aufgabe selber. Der Arbeitsdruck wächst durch Begleitmassnahmen, deren Sinn und Nutzen aus der Sicht der Betroffenen nicht zielführend sind. Der menschliche Kontakt wird durch Mails, Tabellen und Dokumente ersetzt. Die Kreativität erstickt durch Reglemente. Statt vorwärts zu kommen sehen sich Betroffene in einer Sackgasse, «rien ne va plus».  Statt Freiheit sieht man sich im Gefängnis. Die Frage kommt auf, was mache ich eigentlich, wo liegt der Sinn in dem, was ich tue.
Brown-out ist auch ein gesellschaftliches Problem. In unserem Kommunikationszeitalter haben wir zu jeglichem Wissen Zugang. Entsprechend nehmen wir nicht einfach alles an, was uns vorgesetzt wird. Wir suchen nach Hintergründen, nach Inhalten, nach Beweisen, nach Fakten, die unsere Ansichten und Meinungen untermauern. Haben wir früher einfach ein T-Shirt gekauft, weil es uns gefallen hat, wollen wir heute wissen, ob dessen Herstellung mit Kinderarbeit verbunden ist, ob besondere chemische Mittel verwendet wurden oder ob mit der Gewinnung der verwendeten Baumwolle die Natur geschädigt wurde. Unser Bewusstsein für

Zusammenhänge wächst, weil wir konstatieren, dass wir mit unserer Lebensweise (Konsum, Reisen, Vergnügen) die Natur zerstören. Deshalb wächst auch in jeder unserer Aktionen, ob privat oder geschäftlich, die Frage nach dem Sinn.

Von der steigenden Sinn-Suche ist die Arbeitswelt nicht ausgenommen. Menschen suchen nicht mehr eine Arbeit, die ihnen Nahrung und etwas Komfort ermöglicht. Menschen suchen eine Aufgabe, die ihrer Weltanschauung entspricht. Die Maslow-sche Bedürfnispyramide scheint sich auf den Kopf zu stellen. Die Spitze – die Selbstverwirklichung – scheint zur Basis zu werden. Doch die Wirtschaft ist keine Anstalt zur Bedürfniserfüllung. Die Wirtschaft sucht Effizienz und Gewinnoptimierung, Entsprechend finden immer mehr Menschen in der Wirtschaft keine sinnvolle Aufgabe mehr. Besonders gutausgebildete Menschen suchen Wege, sich ohne Karriere, ohne einen Titel als «Head of …..» durchs Leben zu bringen. Der Chefarzt, der zum Lastwagenfahrer wird, der Banker, der Bier braut, der Chemiker, der Heilkräuter sammelt oder der Konzernchef, der ein Restaurant eröffnet, das sind alles Beispiele von Menschen, die eine Aufgabe gesucht haben, die in ihren Augen einen Sinn hat.

Leider haben nicht viele den Mut, eine Aufgabe, die ihnen finanziell ein gutes Leben ermöglicht, zu verlassen und das Abenteuer eines Neuanfangs einzugehen. Viele harren aus in der Hoffnung, es werde sich schon einmal etwas ändern. Viele wechseln den Arbeitgeber in der Hoffnung, etwas Neues würde ihre Arbeitszufriedenheit verbessern. Doch das sind schlechte Voraussetzungen, sowohl für die persönliche Zufriedenheit, wie auch für den Arbeitgebernutzen. Brown-out-Patienten sind nicht leistungsfähig. Ihre Kommunikation bremst Abläufe. Sie verstecken sich, sind defensiv und mit sich selbst unzufrieden. Sie suchen überall Schuldige und merken nicht, dass sie selber Wurzel des Übels sind. Irgendwann muss sich die Wirtschaft überlegen, was zur Sinnsteigerung gemacht werden kann.             jb