Anreiz zu Mehrleistung über materielle Motivation?

Beteiligungsmodelle fallen dadurch auf, dass sie auch Unternehmenssteuerungsmittel sind. Will das Unternehmen einen hohen Börsenkurs, wird den führenden Menschen ein Bonus in Form von Beteiligungen, manchmal sogar ein Bonus auf die Kurssteigerung ausbezahlt. Will das Unternehmen Energie sparen, werden alle Sparmassnahmen mit Zusatzentgelt belohnt. Will das Unternehmen einen hohen EBIT, wird ein Teil des EBIT nach einem bestimmten Schlüssel an Mitarbeitende ausbezahlt.

Diese Massnahmen bauen darauf, dass Menschen einen Naturtrieb zu Besitztum durch die Evolution erhalten haben (Archetypus). Die Gefahr besteht, dass sie sich für einen Bonus mehr einsetzen, als für Aufgaben, die mit dem normalen Gehalt vergütet werden. Verdient eine Führungskraft monatlich € 10.000,- und kann noch einen Bonus von € 1.500,- dazu verdienen, dann kann der Umstand dazu führen, mehr Aufmerksamkeit auf die € 1.500,- zu verwenden, statt auf die € 10.000,-. Ist diese Ansicht heute und in Zukunft noch vertretbar? Ist Begierde nach materiellen Gütern wirklich noch ein hauptsächlicher Antrieb?

Wir reden heute von Work-Life-Balance. Wir erleben in Kandidatengesprächen, dass der bedingungslose Einsatz für das Unternehmen relativiert wird. Familie und Hobbys sollten ebenfalls gepflegt werden. Der Wunsch nach reduzierter Arbeitszeit, nach freien Tagen oder Nachmittagen wird oft geäussert. Klar will man sich für das Unternehmen einsetzen, doch neben der Berufsausübung sollten noch andere Lebenskomponenten eine Rolle spielen (Generation Y). Und diese sind oft unabhängig von Geld. Das Miterleben des Wachstums der Kinder, das Spielen eines Musikinstrumentes in einem Kollegium, die Pflege einer Sportart, das sind Erlebnisse, die keine hohen Geldsummen erfordern, aber dem Menschen mehr Zufriedenheit geben als ein Auszug aus seinem Bankkonto.

Mit der Suche nach der Work-Life-Balance beginnt der Mensch, sein Leben aus der Sicht der Vernunft zu betrachten und zu organisieren. Die Vernunft steht als höhere

Macht und Kontrollinstrument über den Instinkten. Wer schon ein Stück Fleisch
einer Hundemeute zugeworfen hat, kennt die Gier jedes Einzelnen, die ihm zusätzliche Kräfte zur Gewinnung des Fleischstückes verleiht. Voraussetzung ist Hunger. Der Mensch – vornehmlich der Kopfarbeiter – besitzt reduzierten Hunger, denn seine Leistung wird schon durch das Festgehalt so honoriert, dass ein Leben mit durchschnittlichem Komfort möglich ist. Entsprechend sagt ihm seine Vernunft, dass immaterielle Werte das Leben mehr bereichern können, als die archetypische Gier nach Geld. 

Im Zeitalter der Work-Life-Balance sollten  Beteiligungsmodelle einer qualitativen Prüfung unterzogen werden. Sind sie sinnvoll, vernünftig und ethisch, oder sind sie reine  Reizmodelle für Instinkte? Auch bezüglich der damit zu erreichenden Ziele muss eine Überprüfung stattfinden. Werden die Ziele noch anerkannt, haben sie Allgemeincharakter oder nur Gewinnmaximierung für Einzelne?

Wenn schon eine Überprüfung stattfindet, muss auch überprüft werden, wieweit ein wirklicher Nutzen entsteht oder wieweit Bestimmungen zur Bonuserreichung missbraucht werden können. Ein Beispiel dazu: Während der britischen Kolonialherrschaft in Indien setzte der britische Gouverneur auf Grund der Giftschlangen-plage Prämien für tote Schlangen aus. Als Folge haben die Leute Schlangen gezüchtet, um immer mehr davon abzuliefern. Darauf stoppte die Regierung die Prämien, was dazu führte, dass die Schlangen freigelassen wurden. Die Plage war grösser als zuvor.

In Zukunft werden wir vielleicht Erfolgsbeteiligungsmodelle nicht mehr mit der Ausschüttung von Geld versehen, sondern mit Erlebnissen. Möglich sind

  • Gewährung zusätzlicher Freizeit
  • Ermöglichen von Ausbildungen, die nicht dem Unternehmen dienen (z.B. Privatpilotenlizenz)
  • Mitgliedschaften (z.B. Golf, Tennis)

Finanzielle Unterstützung nebenberuflicher Tätigkeiten.                                    jb