Mit Kritik umgehen können.

Die Mehrheit der Führungspersonen erträgt Kritik schlecht. Ihre Reaktion auf Kritik ist zumeist Abwehr, Verneinung, Rechtfertigung mit fadenscheinigen Gründen oder Härte gegenüber der kritisierenden Person. Dadurch wird Kritik zur Beziehungsbelastung und daraus entstehen meist noch mehr Gründe für kritische Äußerungen. Eine wohlwollende Annahme der Kritik ist selten, obwohl sich daraus viel Positives zur Beziehungsverbesserung, zur gemeinsamen Arbeit und Zielverfolgung ableiten lässt. Leider wird Kritik zu schnell persönlich aufgefasst. Die Person nimmt sie verletzend auf und reagiert entsprechend.

 

Ein kürzlich erlebtes Beispiel: An einem geschäftlichen Meeting servierte das Hotel ein Abendessen, bei dem nichts so war, wie es sein sollte. Große Verspätungen im Service, vergessenes Gemüse zur Hauptspeise, kalt servierte Nudeln, kein Getränkenachschub etc. Die Reklamation beim Bankettmanager ergab, dass er keine Kritik zuließ, abwiegelte, behauptete, man hätte halt schneller essen müssen und offensichtliche Küchenfehler in fehlende Gourmet-Kenntnisse ummünzte. Diese Reaktion verschlimmerte die Zufriedenheit der Gäste und ein verbaler harter Austausch war die Folge. Der Meeting Leiter   

verfasste ein Mail an die Hotelleitung und beschwerte sich, sachlich, aber in der Formulierung eindeutig. Die Hotelleitung reagierte auf die Kritik umgehend. Sie entschuldigte sich, sandte zur Entschuldigung die Event-Managerin ins Meeting und spendierte den Meetingteilnehmern einen Aperitif nach Wahl am zweiten Abend. Zudem wurde ein spezielles Menü serviert und der  Chefkoch kam an den Tisch, um nach der Zufriedenheit der Gäste zu fragen. Damit kippte die negative Stimmung der Meetingteilnehmer in Wohlgefälligkeit und Zufriedenheit.

 

Kritik kann als „Feedback“ bezeichnet werden. Sie ist Echo auf eine Handlung einer Person. Nennen wir Kritik „Feedback“, dann wissen wir, dass ein Feedback einen positiven oder negativen Inhalt haben kann. Der Begriff Kritik hingegen wird zumeist negativ aufgenommen. Er führt dazu, dass der Empfänger der Kritik sich selber in Frage stellt. Und wird an seinem Ego gekratzt, dann fühlt er sich bedroht, in die Enge getrieben, von der Umwelt verstoßen. Sein Reflex ist Abwehr.  Je mehr sich die kritisierte Person genötigt sieht, ihr Ansehen zu verteidigen, desto weniger fähig wird sie, das aufzunehmen, was sie hört.

 

Kritik entgegennehmen bedarf deshalb ein Verhalten, das Emotionen unterdrückt und Vernunft in den Vordergrund stellt. Dieses Verhalten kann trainiert werden. Jede Führungsperson kann sich darauf einstellen, bei Kritik zuerst einmal zuhören und nicht gleich wortgewaltig in Abwehr zu verfallen. Zuhören und kühl überlegen, was die Kritik zu bedeuten hat, was im Denken des Kritisierenden abgelaufen ist, weshalb er diese und nicht andere Worte wählt und wie wohl sein emotionaler Zustand ist.

 

Die eigene Reaktion muss sein: Verständnis zeigen, ruhig bleiben, die Bedeutung des Grundes für Kritik für die Person überlegen, Lösungen finden. Oft sind Lösungen sehr nahe und schnell gefunden, oft können keine Lösungen in Aussicht gestellt werden, weil der Kritikgrund systembedingt ist. Und selbst dann darf nicht abgewiegelt werden. Kritik ist der Ausdruck eines Menschen, der mit irgendwelchen Umständen oder persönlich empfundenen Maßnahmen nicht klar kommt. Dieser Mensch empfindet etwas negativ. Dieses Empfinden stört ihn bei seiner Arbeit, bei seiner Motivation für die Arbeit, es beeinträchtigt seine Zufriedenheit und damit auch seine Leistung. Seine Kritik muss deshalb angenommen und behandelt werden.

 

Interessant ist, dass die Annahme einer Kritik, die Entschuldigung und die Verbesserung des beanstandeten Umstandes zu wesentlichen Beziehungsverbesserungen zwischen der kritisierenden Person und des Kritikempfängers führen. Oft erfährt die kritisierte Person sogar eine Entschuldigung für Form, Zeitpunkt oder Ort der Kritik. Und es kann auch vorkommen, dass die Kritik zurückgezogen wird, „man hätte es nicht so gemeint“.  jb