Was bringt uns die Zukunft, Arbeitskräftemangel oder –überschuss?

In Deutschland ist die Zahl der Arbeitslosen auf einen kaum erwarteten tiefen Prozentsatz gefallen, sogar noch tiefer, als derjenige der Schweiz (die durch den Frankenschock wirtschaftlich Einbussen erleidet). Das sind momentane Schwankungen, die teils hektische HRM-Reaktionen auslösen. Entweder wird eingestellt oder entlassen. Doch momentane Situationen sollten nicht als Trends für die weitere Zukunft betrachtet werden. Die wirklichen Trends haben andere Ursachen.

Eine grosse Ursache für möglichen Arbeitskräfteüberschuss ist die weitere Digitalisierung der Arbeitswelt. Schon spricht man davon, dass selbst Geisteswissenschaftler durch Computer ersetzt werden können. Dass Operationen bei Mensch und Tier durch computergesteuerte Automaten vorgenommen werden. Dass Rechtsanwälte durch Programme ersetzt werden, die weltweit aus allen Gerichtsurteilen und Gesetzbüchern die notwendigen Textstellen entnehmen. Dass 3D-Drucker die Teileherstellung und Montageautomaten den Zusammenbau übernehmen werden. Der Computer scheint keine Grenzen zu kennen, nicht einmal bei der Konfiguration und beim Bau von sich selber. Zukunftsgläubige Informatiker reden davon, dass der Computer einen höheren Intelligenzquotienten als der Mensch haben wird. Schön! Der Computer macht alles. Endlich braucht der Mensch nicht mehr zu arbeiten, doch wovon soll er leben?

Ursache für möglichen Arbeitskräftemangel ist die rückläufige Geburtenrate. Waren früher drei bis sechs Kinder in einer Familie üblich, sind heute kinderlose Ehen im Steigen begriffen und Ehen mit Kindern normieren sich zwischen eins bis drei. Der stark sinkende Nachwuchs wird einerseits durch eine längere Lebenserwartung und durch Immigration kompensiert, doch wird dies genügen?

Die Immigration wirkt sich mehrheitlich in einfachen Arbeiten aus (ausser in Staaten mit sehr hoher Lebensqualität, welche Fach- und Führungspersonal anziehen) und die höhere Lebenserwartung – und damit die längere Arbeitszeit – wird nicht in allen Branchen begrüsst. Viele Branchen verändern sich sehr rasch und verlangen nach jugendlichem Altersdurchschnitt.

Diese beiden langfristigen Entwicklungen werden in den nächsten Jahren im HR-Management grosse Aufgaben stellen. Sollen Menschen eingestellt oder ist man wettbewerbsfähig, wenn die bestehenden Mitarbeiter permanent weitergebildet werden? Wie gross soll der Anteil an Fachintelligenz sein, der vom Personalmarkt kommen muss? Wie fähig sind unsere bestehenden Kräfte, den schnellen Wandel mitzumachen (auch in allen führenden Funktionen) und welches Wissen muss ihnen mitgegeben werden, damit ihre Tätigkeit der Weiterentwicklung des gesamten Unternehmens dient? HR wird dadurch immer mehr zur Schlüsselaufgabe für die ganze Unternehmensentwicklung. Fehlendes oder  unterbeschäftigtes Personal spielt für die Unternehmensbilanz eine Hauptrolle. Und was in Zukunft immer wichtiger wird sind „KnowHow“ und die Beziehungen wichtiger Mitarbeiter.  Folgt einer Personalentlassung eine erwartete Reduktion der Lohnsumme, muss deren Verlust an dagegen gerechnet werden.

Für die Titelfrage gibt es keine einhellige Antwort. Es wird einen schnelleren Wechsel zwischen Mangel und Überschuss geben, wobei gesamtpolitische, gesamtwirtschaftliche, branchenabhängige und ideologische Trends die Einflussfaktoren sind.  jb