Text von Stellenanzeigen- Anwerbung oder Abschreckung?

Ein Hochschulabgänger hat etwas ausgesprochen, was vielen anderen als richtig erscheint: „Stellenanzeigen sind wie Heißluftballone. Nimmt man die Luft raus, bleibt ein schlapper Nylonschlauch“. Zudem meinte er, dass den Textern der Stellenanzeigen das Wort Werbung vermutlich unbekannt sei, denn Stellenanzeigen seien sehr kompliziert und viel zu langwierig getextet. Ein Stellensuchender brauche enorm viel Zeit, um eine Anzeige durchzulesen.
Mit dieser Kritik hat er Recht. Geht man als Leser durch den Wald an Stellenanzeigen, findet man immer wieder nichtssagende gleiche Ausdrücke. Positivismus über das eigene Unternehmen, interne Bezeichnungen, die externe Leser nicht verstehen, und aufgebauschte Beschreibungen ganz normaler Abläufe, geschmückt mit vielen englischen Ausdrücken, schrecken eher ab als dass sie motivieren. Werbung findet man höchstens in der grafischen Darstellung mit schönen Bildmotiven. Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit sind nicht der Texter Richtlinien.
Resultat ist, dass viele Bewerbungen eintreffen, doch selten die richtigen. Infolge unklarer und nicht immer verständlicher Texte werden viele zur Bewerbung veranlasst, welche sich dafür berufen fühlen, aber ungeeignet sind. Leider führen viele Bewerbungen zu hohem, unnützen Arbeitsaufwand. Effizienz in der Suche nach Kandidaten kann erreicht werden, wenn folgende Regeln eingehalten werden:

  1. Text einschränken auf das Wesentliche einer vakanten Aufgabe.
  2. Vermeiden von internen Ausdrücken, die extern nicht verstanden werden.
  3. Kurze Sätze, klare Worte, so dass der Text schnell erfasst werden kann.
  4. Vermeiden von allgemeinen Floskeln, die in allen anderen Anzeigen stehen (nettes Team, erfolgreiche Firma, Marktleader, gute Anstellungsbedingungen usw.)
  5. Das Betonen von fachlich herausfordernden Aufgaben führt zu einer natürlichen Vorauswahl.
  6. Die weitere persönliche Entwicklung klar mit dem Vermerk versehen: je nach Eignung und Neigung.

Effizient wird eine Stellenanzeige, wenn nicht versucht wird, die Stelle als eine „wunderschöne Heimat mit Milch und Honig“ anzupreisen, weil damit nur Mainstream-Kandidaten erreicht werden. Die gewünschten Kandidaten dürfen mit Schwierigkeiten und Herausforderungen angesprochen werden. Das ergibt nur wenige Kandidaten, aber dafür diejenigen, die der vakanten Stelle gewachsen sind. Zum Vermeiden von chancenlosen Kandidaten gehört auch, dass Anforderungen klar definiert werden. Anforderungen jedoch nicht mit Ausbildungsabschlüssen versehen, weil dadurch geeignete Praktiker (die meist wirkungsvoller sind) ausgeschlossen werden.

Stellenanzeigen leiden am geistigen Horizont ihrer Verfasser. Zugegeben, es ist schwierig, sich in das Denken, Aufnehmen und Verarbeiten eines Stellensuchenden einzufühlen. Deshalb wird kraftvoll versucht, alle vermeintlichen Vorzüge einer Arbeitsstelle in eine Anzeige zu packen. Was aber der Leser daraus entnimmt und wie er darauf reagiert, das bleibt dem Texter zumeist verborgen. Oft sind auch Anzeigenschreiber und Kandidateninterviewer verschiedene Personen, was dazu führt, dass die Anzeigenschreiber kein Feedback haben und sich deshalb nur auf ihre Intuition abstützen können.

Effizient wäre eine Stellenanzeige, wenn nur ein Kandidat und der genau Passende darauf reagieren würde. Als Musterbeispiel sei das Inserat einer Werbeagentur aufgeführt, das einmal in der Neuen Zürich Zeitung erschien:

AD

Muster AG, Herr König

Damit warb eine bekannte Werbeagentur um einen Art Director. Die angepeilten Kandidaten wussten genau, auf was sie sich bewarben. Jeder weitere Buchstabe war überflüssig.