Rekrutierung muss individualisiert werden!
Durch die Digitalisierung wird der Rekrutierungsprozess zu einem schematischen Ablauf mit stereotypen, automatisierten Informationen. Das beginnt bei der Abfassung des Anforderungsprofils, das von der Konzeption her für einen Werkarbeiter, wie für einen Vertriebsvorstand gültig sein muss. Denn automatisierte Such- und Auswahlvorgehen, sowie Algorithmen brauchen Befehle, wie und wo gesuchte Informationen zu finden sind. Schon seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass Stellenanzeigen soweit schematisiert sind, dass nur noch der Positionstitel unterschiedlich ist, der Rest – insbesondere die Selbstdarstellung des Unternehmens – «Bla Bla». Die Kommunikation zu Kandidaten (im Folgenden gilt immer m/w und divers) wird mit fertigen, gespeicherten Texten abgewickelt.
Die Frage stellt sich: Wie reagieren Kandidaten auf Schematisierung und Vereinheitlichung?
Die Reaktion ist abhängig von Selbstwert und Selbstbewusstsein. Beide Werte sind bei hochwertigen Kandidaten stark vorhanden. Sie haben mit Leistungen bewiesen, dass sie über dem Durchschnitt stehen. Sie werden von Recruitern angesprochen. Sie wissen, dass sie begehrt und wertvoll sind. Entsprechend muss der Umgang mit Ihnen Werte von individueller Anerkennung aufweisen. Sie zählen auf Offenheit, Ehrlichkeit und Geschwindigkeit in der Abwicklung.
Jedes Unternehmen beschäftigt unterschiedliche Menschen. Solche mit wenig Bildung, andere mit hoher Ausbildung, extrovertierte und introvertierte, Kämpfer und Diener, Strategen und Pedanten. Jeder Job hat spezifische Anforderungen. Gehört zum Unternehmensziel, möglichst die Besten zu beschäftigen, dann muss der Rekrutierungsprozess den gesuchten Menschen angepasst werden. Jede der zu besetzenden Aufgaben braucht eine spezifische, individuelle Vorgehensweise, wenn die Besten erreicht und gewonnen werden sollten.
Kandidaten sind wie Kunden. Rezepte aus der Küche der Kundenseite gelten auch in HR.
Wenn vakante Stellen nicht besetzt werden können, wird gerne der Fachkräftemangel oder ein angespannter Personalmarkt vorgeschoben. Solch allgemeine Floskeln als Entschuldigung zu gebrauchen ist falsch. Auf der Vertriebsseite werden bei stagnierendem Kundengewinn umgehend Fragen gestellt:
• Ist unser Produkt oder unsere Dienstleistung marktgerecht?
• Sprechen wir die richtigen möglichen Kunden an und wie?
• Ist unsere Vertriebsmethodik richtig oder muss sie verbessert werden?
Diese drei Fragen auf die Personalrekrutierung umgesetzt lauten:
• Ist unser Positionsprofil personalmarktgerecht und trifft es auf Menschen, die sich damit identifizieren können?
• Wo sind Menschen für unsere Vakanz vorhanden und wie wollen wir sie für uns gewinnen?
• Ist unser Rekrutierungsablauf so gestaltet, dass wir Menschen interessieren und motivieren können?
Im Vertrieb werden mögliche Kunden sorgfältig gelistet und viele persönliche Informationen über sie gewonnen, damit Produkte und Vorgehensweisen spezifisch angepasst werden können. Nur so sind mögliche Kunden von anderweitigen Anbietern zu gewinnen. Im Recruiting wird momentan auf Digitalisierung und Internet gesetzt. Ziel ist die Automatisierung des Recruitings. Was möglicherweise bei Einstellung von vielen gleichen Anforderungsprofilen (beispielsweise Werkarbeitern) Vorteile bringt, zeigt bei der Suche nach speziellen Profilen Nachteile.
Die Qualität der Mitarbeiter ist für den Unternehmenserfolg entscheidend. Qualifizierte Mitarbeiter heben sich ab. Sie müssen nicht froh sein, eine Arbeit durchführen zu dürfen. Entsprechend muss um sie wie um Kunden gekämpft werden. Erfolg ist abhängig von der Persönlichkeit und der Kommunikation der Vorgesetzten und der Recruiter. Das bedingt mehr Engagement, mehr Zeitaufwand und mehr Interesse an Menschen. Kann diese Anforderung nicht optimal erfüllt werden, ist es besser, den Personalberater einzuschalten. jb