Haben Führungspositionen noch Macht und Autorität?

Früher waren Chefs auf Grund ihrer zugesprochenen Rolle mächtig und autoritär. Viele Chefs mussten sich durchsetzen mit Worten: „Hier bin ich der Chef und ich bestimme, was hier gemacht wird“. Seine Mitarbeiter mussten kuschen. Heute gibt es immer noch Chefs – ältere mit konservativem Stil oder junge, die sich als Chef erst bewähren müssen – die zum Führungsmittel des Befehls greifen und erstaunt feststellen: „Mein Wort gilt nichts mehr“.
Die Befehlsgewalt ist in Europa out. Der Status eines Chefs bedeutet nicht mehr, dass Anordnungen befolgt werden. Im Gegenteil, Befehle werden als Konfrontation aufgefasst, entsprechend gilt das Gesetz „actio gleich reactio“. Diejenigen, denen der Befehl gilt, kuschen nicht, sondern wehren sich dagegen. Eine Führungsposition hat heute nicht mehr automatisch Macht und Autorität (Autorität = Würde, Ansehen, Einfluss).
Entscheidend, ob eine Führungsperson heute ihrer Funktion „Führung“ nachkommen kann, ist der Respekt, der ihr entgegengebracht wird. Respekt entsteht, wenn der Mensch in der Führungsposition auf Grund seiner Persönlichkeit, seinem Charakter, seinem Wissen und seinen Erfahrungen als derjenige Mensch anerkannt wird, dem man gerne folgt. Autorität muss sich heute ein Chef bei seinen Mitarbeitern erwerben, er hat sie nicht mehr automatisch auf Grund seiner Stellung. Die ganze menschliche Gesellschaft hat sich geändert. Das Internet mit seiner Transparenz und Mitbestimmung hat die Veränderung beschleunigt. Autoritäten werden angezweifelt. Entsprechend muss sich heute ein Chef seine Funktion bei seinen Mitarbeitern verdienen.
Das klingt nach Anbiederung, darf aber auf keinen Fall als solche angebracht werden. Autorität erwerben heisst, den Mitarbeitern die Gesamtziele der Gruppe transparent zu machen, Wege dazu aufzuzeigen, Vorschläge zu diskutieren, Ansichten der Mitarbeiter zu berücksichtigen und die Arbeit aller effizient zu koordinieren. Der Gesamterfolg gehört allen, sowohl den Mitarbeitern, wie den Chefs. Der Gesamterfolg stärkt die Autorität und das Ansehen des Chefs.

 

 

 

Doch nicht alle Mitarbeiter sind problemlos in eine Gruppe integrierbar. Einige zeigen egozentrische Züge und stellen das Ich vor das Team. Sie suchen sich zu profilieren, in dem sie minime Chefschwächen (jeder Mensch hat auch Schwächen) an die grosse Glocke hängen. Ein Unruheherd in der Gruppe muss schnell erkannt und eliminiert werden und das braucht seitens des Chefs Stärke und Entschlossenheit. In diesem Moment zeigt sich eine natürliche Autorität. Sie muss einer Führungsperson angeboren sein und dann zum Einsatz kommen, wenn in der Gruppe die Ausrichtung zu gemeinsamen Zielen gefährdet ist.
Natürliche Autorität, eine Bezeichnung für eine menschliche Begabung. Es gibt sie, die Menschen, die von Kindsbeinen an von der Umgebung als diejenigen anerkannt werden, die Führung übernehmen und denen man folgt. Sichtbar schon im Sandkasten, als Klassensprecher in der Schule, als Gruppenführer bei den Pfadfindern, im Sport oder in Hobbyvereinigungen. Sie übernehmen Verantwortung, ergreifen Initiativen, motivieren andere zur Mitarbeit. Das sind die natürlichen Führungskräfte, die heute in der Wirtschaft die zentrale Rolle für den Unternehmenserfolg spielen. Doch davon gibt es nicht genügend. Deshalb finden wir immer noch Führungskräfte, die ihre Macht und Autorität aus dem Titel ihrer Position herleiten müssen. Und diese schaden heute einem Unternehmen mehr, als sie nützen.
HR in Erkennung und Talentmanagement in Förderung müssen die natürliche Autorität bei jedem Mitarbeiter stärker berücksichtigen. Nicht jeder hat die Fähigkeit, vom Lehrling in der gleichen Firma zum Konzernchef aufzusteigen. Sie ist der Schlüssel zum Unternehmenserfolg.    jb