Der Chef als fördernder Mentor

Ein Hinweis vorab: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.

 

Was macht eine erfolgreiche Sportmannschaft aus? Ein Trainer, der die differenten Individuen zu einer Gesamtleistung führen kann. In der Wirtschaft heisst der Trainer Chef. Doch nicht allein der Titel ist anders. Der Trainer ist für den Gesamterfolg des Teams zuständig und kann seine ganze Zeit der Teamgestaltung und der Leistungsförderung widmen. Der Chef hat selber auch einen Aufgabenbereich. Und viele Chefs sind mit ihren eigenen Aufgaben so stark ausgelastet, dass sie kaum noch Zeit haben für Leistungsförderung, individuelle Betreuung, Meinungsaustausch, Motivation.

Vorbild Sport.
Sportler, die zu einem Spitzenteam gehören, sind stolz auf ihren Verein und stehen für ihn ein. Bei Mitarbeitenden in der Wirtschaft ist das nicht immer der Fall. Wenn man Umfragen glauben will, haben über die Hälfte innerlich gekündigt. Chefs, die es verstehen, eine Mannschaft zu formen, können diesem Trend entgegenwirken.

Zeit investieren.
Entsprechend investieren HR-Abteilungen am meisten Geld in die Führungskräfteentwicklung (Umfrage über HR-Trends der Uni St. Gallen). Doch Führungskräfte müssen Zeit haben, um das Gelernte auch umzusetzen. «Management by Helikopter» ist die Bezeichnung für einen gestressten Manager, der kommt, Staub aufwirbelt und wieder geht. Der Chef soll sich Zeit nehmen, um mit seinen Mitarbeitern deren Aufgaben, deren Fortschritte und Resultate zu diskutieren. Die Mitarbeiter sollen sein Interesse spüren, sein Mitdenken erleben, sein Wohlwollen aufnehmen, aber auch mögliche Korrekturen wahrnehmen und motiviert weiterarbeiten.

Mentoring heisst die Vorgehensweise. Mentor die durchführende Person. Die Vorgehensweise gilt als Personalentwicklungsmassnahme. Der Mentor oder die Mentorin gibt ihr fachliches
Wissen oder ihr Erfahrungswissen an eine weniger erfahrene Person weiter. Ziel ist die Unterstützung bei der beruflichen oder charakterlichen Entwicklung. Bereiche, die in Mentoring-Beziehungen thematisiert werden, reichen von Ausbildung, Erfahrungssammlung, Karriere und Freizeit bis hin zur Persönlichkeitsentwicklung. Mentoring gilt nicht allein für Einzelne, sondern auch für ganze Teams.

Führung mit Mentoring ergänzen.
Wo liegt denn er Unterschied zwischen Führung und Mentoring? Führung gibt Anweisungen und Vorgaben. Sie koordiniert Aufgaben und Tätigkeiten. Sie beobachtet die Durchführung und korrigiert, wenn sie eine Notwendigkeit dazu sieht. Der Mentor kümmert sich um Menschen, deren Wissensstand, Erfahrungsstand, deren psychische und physische Konstellation zur Durchführung.

KnowHow weiterentwickeln.
Die Komplexität heutiger und zukünftiger Aufgaben in der Wirtschaft bedingt, dass Chefs zusehends Mentor-Qualitäten aufweisen müssen. Der Wissens- und Erfahrungsförderung muss viel mehr Bedeutung zugemessen werden, denn mehrmalige Berufswechsel in einem Arbeitsleben sind nicht selten. Wirtschaftlich unrentabel ist, Menschen zu beschäftigen, die auf altem Wissen stehen geblieben sind. Deshalb müssen auch 55-jährige und 60-jährige permanent weitergebildet werden. Wenn sie zusätzlich zu neuem Wissen ihre ganzen Erfahrungen in positivem Sinn einbringen können, gehören sie zu den wertvollsten Mitarbeitern.

Veränderung im Personalmarkt.
In der Wirtschaft werden zukünftig die «Alten» gebraucht, denn die Zeit der Baby-Boomer ist vorbei. Sie scheiden aus dem Arbeitsprozess aus und hinterlassen grosse Lücken. Der Personalmarkt im Bereich der Fachkräfte wird sich weiter anspannen. Es ist Zeit, den persönlichen Aufgabenbereich von Chefs zu reduzieren, den Chefs Zeit für mehr Mentoring zu geben. Schliesslich ist der Erfolg der Firma von gutbezahlten Fachkräften abhängig. Wenn sie nicht vom Personalmarkt gewonnen werden können, müssen sie intern entwickelt werden.

Anforderungen an Chefs verändern sich.
Zum Mentor werden Eigenschaften gebraucht, die heutzutage einen «guten Chef» auszeichnen. Zuhören können, sich in andere Menschen einfühlen, Stärken spüren, Schwächen erkennen, geduldig und sorgsam zu Korrekturen motivieren, helfen. Deshalb wird auch darüber diskutiert, fremde Mentoren einzusetzen. Das kann allerdings problematisch sein. Vor allem dann, wenn Chef und Mentor verschiedene Ansichten äussern, ist ein Mentoring zum Scheitern verurteilt. jb