Führung. Ein Thema in permanenter Diskussion.

Auf Jahrzehnte zurückgesehen füllen Theorien und Beschreibungen über Führung nicht nur Bücherregale, sondern ganze Buchläden. Zudem widerspricht ein Buch dem andern. Es gibt Schriften, die den Managern empfehlen, intuitiv zu entscheiden, denn Manager seien mit emotionaler Intelligenz ausgestattet. Dann gibt es Führungsgurus, die empfehlen, nicht der Intuition zu trauen. Motivation sei die Lösung zum Erhalt von guten Leistungen, doch ein Neurologe (Prof. Dr. Gerald Hüter) behauptet, Motivation sei falsch. Manager sollten zu ihren Mitarbeitern Vertrauen haben, was ein Psychologe aus Bamberg mit der Behauptung kontert, Misstrauen führe besser zum Ziel. Zu jeder Meinung gibt es eine Gegenmeinung. Daraus kann aber auch die Erkenntnis gewonnen werden, dass es keine ernsthaften oder „richtigen“ Führungstheorien gibt. Was gemacht wird, ist falsch und was nicht gemacht wird ebenso.

Seit den 60er-Jahren, als Management by objectives als Führungsrichtlinie fast sakrosankt beachtet wurde, hat sich prinzipiell nicht viel Neues ergeben. Wirtschaft und Unternehmen haben sich verändert, Informatik und Menschenvernetzung Einzug gehalten, die Arbeitswelt hat sich verändert, doch Menschen sind Menschen geblieben. Vielleicht war der Mensch der 60er-Jahre etwas gefügiger, etwas gehorsamer, möglicherweise pflegeleichter. Der heutige Mensch muss komplexere Aufgaben durchführen und kämpft eher für seine eigenen Bedürfnisse. Doch beide haben immer noch dieselben menschlichen Eigenschaften. Sie durchschauen Tricks und gespielte oder antrainierte Rollen. Sie gehen für einen Chef „durchs Feuer“ oder verachten ihn. Führen soll nie mit Methoden, die nicht der eigenen Wesensart entsprechen, versucht werden.

Sehr geehrte Chefs. Verlassen Sie Führungsrezepte. Beobachten Sie sich selber und versuchen Sie, sich selber kennen zu lernen. Wenn Sie zum Schluss kommen, dass Sie eher der diktatorische

Führer sind, oder eher der Motivator, oder möglicherweise der dienstleistende Chef, oder pedantisch detailverliebt oder grosszügig tolerant sind, dann ist eine Grundbedingung für Führung gegeben. Sie wissen um Ihre Eigenschaft! Sind Sie eher diktatorisch, versuchen Sie nie, sich anzubiedern.
Ihre Umgebung toleriert das nicht. Sie spürt, dass Sie nicht authentisch sind, dass Sie etwas vorspielen. Damit werden Sie unglaubwürdig. Sie müssen bleiben, wie Sie sind. Wenn Sie netter sein wollen, dann können Sie sich im Ton mässigen. Wenn Sie ein grosszügiger toleranter Chef sind, beginnen Sie auf keinen Fall pedantisch zu kontrollieren. Es passt nicht zu Ihnen und all die Mitarbeiter, die Ihre Art geschätzt haben, sind von Ihrem Verhaltenswechsel gar nicht angetan. Bleiben Sie authentisch!

Ihre Eigenschaften können sich aber negativ auswirken. Was sind die Rezepte dagegen?
1. Ihre Mitarbeiter sind Menschen. Gleich wie Ihr Partner, Ihre Kinder, Ihre Sportsfreunde, Ihre Gesinnungsgenossen, Ihr Chef über Ihnen. Was tun Sie, um deren Achtung zu erwerben? Sie sind korrekt und Sie wenden Zeit und Bemühungen auf, um sich und Ihre Anliegen gewinnend über den Tisch zu bringen. Dadurch werden Sie verstanden. Ihre Schwächen werden toleriert, wenn Ihr Bemühen gespürt und erkannt wird.
2. Nehmen Sie sich Zeit. Chefbeurteilungen kritisieren immer, mein Chef hat keine Zeit für mich. Sie haben genug Zeit, wenn Sie delegieren. Wozu etwas selber machen, wenn Mitarbeiter Gleiches ebenso können? Durch Delegation von Aufgaben schenken Sie Vertrauen.
3. Stehen Sie zu negativen Auswirkungen Ihrer Führungsaufgabe. Führen verbreitet nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Schon Churchill informierte, er hätte nichts anderes zu bieten als Blut, Schweiss und Tränen. Versuchen Sie nicht, künstlichen Positivismus zu erzeugen.
Je komplexer die wirtschaftlichen Aufgaben werden, desto individueller werden die Anforderungen an die Führung. Deshalb gilt es, von generellen Führungsrezepten Abstand zu nehmen. jb